Dienstag, 2. Oktober 2012

TTT – Telefon-Terror-Tag
(nicht Titel, Thesen, Temperamente)

Es gibt Tage, da rührt sich das Telefon überhaupt nicht. Klasse, himmlische Ruhe!
Dann gibt es Tage, da stehe ich ausnahmsweise mal erst um 9.00 Uhr auf, sitze um 9.30 Uhr noch am Frühstückstisch, will gerade genüßlich in den Toast beißen und einen Schluck Kaffee nehmen: Klingelingeling!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Da ist dann eine mir bekannte gesetzliche Betreuerin am Telefon, sucht Hilfe für eine Freundin und deren psychisch kranken obdachlosen Sohn. Wir unterhalten uns nett und ausführlich, tauschen Tipps und Ratschläge aus, reden über die Termine und Uhrzeiten unserer Angehörigentreffen, wo die Freundin gern vorbei kommen kann – und im Nu ist es 10.00 Uhr. Das Frühstück kann zu Ende geführt werden. So weit so gut.

Das nächste Mal läutet es erst um 12.00 Uhr wieder. „Guten Tag, Sch....(den Rest des Namens habe ich nicht verstanden), ich habe ihre Nummer von der Selbsthilfekontaktstelle. Ich habe einen kranken Sohn ....“ Und ohne Punkt und Komma erzählt mir die fremde Dame ausführlich ihre Lebens- und Leidensgeschichte mit allen nur erdenklichen Fakten und Einzelheiten zum wirklich schlimmen Krankheitsverlauf ihres Sohnes.

So gegen 12.20 Uhr unterbreche ich sie mit der Frage: „Welche Hilfe erwarten sie von uns als Angehörigenverein und Selbsthilfegruppe?“ „Ähm – ich will wissen, ob sie einen Psychologen kennen, der mir ein neues Gutachten macht, das die Krankheit meines Sohnes anders beurteilt als bisher....................“ „Nein, da muss ich passen. Das kann ich leider nicht.“

„Ich habe im Internet gelesen, dass Herr Dr. Vau gute Kritiken bekommen hat.“ Der Redeschwall setzt von Neuem ein. Mein Tipp: „Rufen sie den Herrn Doktor (er ist Psychiater) an und vereinbaren sie einen Termin, und dann sehen sie weiter.“

Um 12.30 Uhr breche ich mehr oder weniger höflich das Gespräch ab und habe plötzlich Verständnis für genervte Ärzte, Krankenpfleger, Sozialarbeiter und andere Professionelle, die sich Angehörige so oder so ähnlich anhören müssen.

Inzwischen ist es 1.15 Uhr. Und leider klingelt schon wieder das Telefon, diesmal ist es das private. Die Frau Schwiegermama erfreut mit ihrem Anruf. Was sie genau mitteilten will, erschließt sich mir nicht so ganz. Den Herrn Sohn kann ich ihr leider nicht bieten – er ist auf einer Dienstbesprechung – und so verspreche ich, ihn über den Anruf zu unterrichten.

Ich bin gerade dabei, meinen Telefon-Frust mit diesen Zeilen zu verarbeiten (nun ist es 14.00 Uhr), klingelt erneut das Telefon: „Ihrem Mann ist es schlecht, können sie ihn bitte abholen. Er kann zur Zeit nicht Auto fahren.“

Na gut, alles stehen und liegen lassen und erst mal den kranken Gatten einsammeln fahren. Etwas gutes hat der Ausflug ja: Es klingelt im Auto kein Telefon, das Handy ist nämlich ausgeschaltet!

Wir sind gerade zu Hause angekommen (15.00 Uhr), meldet sich die Mailbox: „Die Jasmin ist in der AWO und will Nachhilfe machen .............“

Wir hatten sogar versucht, noch abzusagen!

Und was ist die Moral von der Geschicht?

An Tagen wie diesen gehe ich nicht mehr ans Telefon sondern werde gleich zum nächsten Termin (Psychose-Seminar) das Haus verlassen. Das Handy bleibt selbstverständlich weiterhin aus.

Und, es gibt natürlich auch Tage, da macht mir ehrenamtliche Arbeit Spaß, wirklich!